Beitrag zum 76. Jahrestag der Befreiung

Anlässlich des 76. Jahrestags der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora hatten wir die Ehre an der zentralen Gedenkveranstaltung in Weimar teilzunehmen. Der Redebeitrag unserer Vorsitzenden Katharina Friedek zum Thema Zukunft der Erinnerung, kann hier nachgelesen werden.

Eine Aufzeichnung der Veranstaltung ist unter folgendem Link abrufbar: liberation.buchenwald.de .

Statement zum 76. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora

von Katharina Friedek

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute hier zu stehen und etwas zur Zukunft der Erinnerung zu sagen, hat sich schon in derVorbereitung auf diesen Tag seltsam angefühlt. Jetzt hier zu stehen, bestätigt dieses Gefühl:Einen Jahrestag ohne anwesende Überlebende zu begehen und zugleich die besondereWertschätzung für die Arbeit des Vereins Jugend für Dora zu erfahren, als dessen Vorsitzende ich nun hier stehe.Wie kommt man dazu sich für die Erinnerung an einen ehemaligen KZ-Komplex in der heutigen Mitte Deutschlands zu engagieren? Für viele Mitglieder von Jugend für Dora und soauch für mich, ist ein wesentlicher Beweggrund für unsere Tätigkeit die Begegnung mit Überlebenden. Viele von uns haben im Rahmen der Jahrestage Überlebende und ihre Familienwährend ihres Besuchs betreut und so mehrere Tage sehr engen Kontakt zu ihnen gehabt.Die prägendsten Momente waren dabei selten die offiziellen Anlässe, sondern vielmehr derKaffee in der Pause oder das Gespräch am Abend. Einer dieser Momente für mich ist einkurzer Spaziergang über das ehemalige Lagergelände mit Alex Hacker, seinem Sohn undseiner Enkelin. Ich war mit seiner Enkelin ein Stück vorgelaufen und versuchte ihr zu erklären, welchen Zweck der Appellplatz hatte, als Alex und sein Sohn uns einholten. Er hörte mirzu und ergänzte am Schluss: „I used to stand there.“ und zeigte auf die Stelle, an welcher erbeim Appell normalerweise hatte stehen müssen. Ich habe gelernt anderen Menschen diegrausame Realität der Konzentrationslager zu erläutern, über Verantwortung der Gesellschaft und Täterschaft zu sprechen und dennoch bleibt es meist abstrakt und kaum greifbarfür mich, was Menschen an diesen Orten taten und erleiden mussten. In diesem Moment aufdem Appellplatz mit Alex, wurde für mich ein Teil dieser Geschichte nahbarer. Zu dem rationalen Verstehen kam die individuelle Geschichte eines Freundes hinzu.

Diese Prägung durch Überlebende lässt schon länger in den Gedenkstätten, aber auch inder Gesellschaft und bei uns im Verein nach. Wir haben junge Mitglieder, die wenig Kontaktzu Überlebenden hatten und kaum Momente wie den geschilderten erlebt haben. Sie engagieren sich verstärkt aus anderen Motiven heraus. Dazu zählt besonders, die heutige Gesellschaft in der Region Nordhausen darauf aufmerksam zu machen, was hier einmal möglichwar und wieder möglich wäre. Menschen werden auch heute auf Grund von ZuschreibungenAnderer diskriminiert und ausgegrenzt. Diese Mechanismen funktionierten auch in der Zeitdes Nationalsozialismus. Am Beispiel der Konzentrationslager kann man verstehen, was alles möglich ist, wenn eine Gesellschaft glaubt oder zumindest zu großen Teilen toleriert,dass einige Menschen weniger Wert seien, als der Rest. Mit diesem Wissen kann man miteinem genaueren Blick auf unser aktuelles Zusammenleben und unsere Debatten schauen.So ein Gedenkakt wie heute ist dabei ein Zeichen dafür, dass wir als Gesellschaft die Vergangenheit nicht ignorieren. Das Gedenken daran, was möglich war, muss für uns der Ausgangspunkt sein. Wir müssen an unserer Gegenwart arbeiten und für eine Gesellschaft eintreten, in der Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung nicht toleriert werden. Das Engagement dafür kennt keine Altersgrenzen und betrifft uns als junge Generation genauso, wiealle anderen in der Gesellschaft. Deshalb engagieren wir uns.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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