George Stein

George Stein traf ich mit zwei seiner Söhne beim ersten Jahrestag, bei dem ich als Betreuer eingesetzt war: 2005. Es war der 60. Jahrestag der Befreiung und eine der größten Jahrestage, die ich je begleitet habe. Zur Gruppe der Menschen, die ich begleiten dufte, gehörte auch George Stein und zwei seiner Söhne. Er war aus Australien und seine Söhne aus Israel angereist.

George Stein wurde im Februar 1927 in Oradea, einer Stadt in Rumänien, geboren. Er stammte aus einer jüdischen Familie. Im Mai 1944 wurde George und seine Familie in ein Ghetto deportiert. Von dort aus wurden sie weiter nach Auschwitz verschleppt, wo seine Eltern und Geschwister ermordet wurden.

Nach seiner Befreiung kehrte George zunächst nach Rumänien in seine Heimatstadt zurück. Dort fand er keine Familienangehörigen mehr vor. Er entschied sich 1948 gemeinsam mit seiner Frau nach Israel auszuwandern. 1955 siedelten sie erneut um, diesmal nach Australien, wo George zunächst in einer kleinen Tankstelle mit Reparaturbetrieb arbeitete bevor er selbst eine eigene Tankstelle eröffnete, die er 34 Jahre lang erfolgreich geführt hat. Er verstarb im April 2022.

Die erste Begegnung mit ihm und einem Teil seiner Familie war eine enorme Herausforderung für mich. Seine Söhne besuchten die Gedenkstätte damals zum ersten Mal und ich glaube, sie verstanden erst dort, was ihr Vater durchmachen musste und was ihn zu dem Menschen gemacht hat, der er später wurde. Lange Abende verbrachten wir während des Jahrestages 2005 mit Gesprächen und Diskussionen, sodass uns nur wenige Stunden Schlaf blieben. Für Georges Familie war es ein unheimlich wichtiger Aufenthalt und ich durfte als Begleiter mittendrin sein. Das sind Erlebnisse, die einen prägen. Auch 2006 durfte ich George wieder begleiten. Er war durch ein Interview Teil der damals neueröffneten Dauerausstellung in der Gedenkstätte. Es sollte sein letzter Besuch sein, da kurz zuvor seine Frau gestorben war und er die Geschichte mit der Eröffnung der Ausstellung für sich abschließen wollte. Er hat seinen Teil beigetragen. Ich werde nie unseren letzten Abschied am Bahnhof in Nordhausen vergessen. George war bereits im Zug und öffnete erneut das Fenster. Er sagte uns, wenn die „deutsche Jugend“ heute so sei wie wir, mache er sich keine Sorgen mehr. Ich werde seine Worte nie vergessen, sie sind für mich bis heute von großer Bedeutung. Sie sind eine Antwort auf die Frage, warum ich diese Arbeit so viele Jahre gemacht habe.

Felix, Mitglied von Jugend für Dora e.V.